WIE STRICK ICH MIR EIN DICKES FELL

Titel: Wie strick ich mir ein dickes Fell?
Autorin: Anke Precht


Ratgeber für Dünnhäutige

❀ In letzter Zeit habe ich ein Buch besonders oft empfohlen – und das ist ausgerechnet ein rosa Ratgeber für Frauen … 

Gelesen habe ich dieses Buch während meiner Busfahrt von Graz nach Wien, vor zwei Monaten, nachdem ich (es ging um Honorare für Schriftstellerinnen) als kapitalistisch und eingebildet bezeichnet worden war und mich, statt das Gespräch höflich abzubrechen, wieder zu rechtfertigen begonnen und mich danach auch noch stundenlang geärgert hatte (und das ausgerechnet am Geburtstag meines Mannes.) 
Aber jede Situation hat bekanntlich auch ihr Gutes. Denn ohne dieses mühsame Telefonat und meinen anschließenden Ärger (und meine Selbstzweifel) hätte ich nicht die Libby-App geöffnet und nach einem passenden Buch gesucht. 

(Was mir beim Stöbern im Bibliothekskatalog auffiel? Es gab zwar wahnsinnig viele E‑Books zum Thema – aber jedes einzelne war gerade ausgeliehen, viele davon sogar mehrmals vorbestellt.) 

Dass ich mich  ausgerechnet für dieses Buch entschied, hatte 3 Gründe. 
1) Der Titel sprach mich spontan an
2) Die Leseprobe zeigte ganz klar, dass es sich nicht um einen der üblichen “Blabla-1000-Fallbeschreibungs-Ratgeber” handelt
3) Das Buch stand in wenigen Tagen zur Verfügung. 

Zurück zu meiner Fahrt nach Wien (das war 4 Tage nach dem Vorfall und der Ärger saß mir, wie ich zugeben muss, noch immer in den Knochen, da dem Gespräch ein mühsamer E‑Mail-Verkehr gefolgt war). 
Nach drei Stunden Busfahrt hatte ich das Buch zu drei Vierteln durch – und schon allein durchs Lesen und Notizen-Machen ging es mir besser. In Wien habe ich dann auch gleich mit dem “Diamanten-Sammeln” begonnen (klingt jetzt wahnsinnig kindisch, tut aber wirklich sowas von gut!)

Und nach meiner Rückkehr, als mir mein Perfektionismus wieder im Weg stand und mir einreden wollte, nicht gut genug zu sein, habe ich ihn mir – wie im Buch vorgeschlagen – als hässliche Gouvernante vorgestellt, mich höflich von der runzligen alten Dame mit dem Dutt und den grauen Nylonstrümpfen verabschiedet und Feierabend gemacht.  Und was ist passiert? Gar nichts. Oder doch: Ich wurde für meine Arbeit sogar gelobt. (Gut, daran war natürlich schon ein bisschen die alte Gouvernante schuld. Aber seit ich sie am oberen Bildschirmrand sitzen, mit den grauen Nylon-Beinen baumeln und streng durch ihre Brille schauen sehe, unterhalte ich mich manchmal ganz nett mit ihr. Und manchmal werde ich schon richtig frech ihr gegenüber.)

Ach ja. Und ich habe einen Buchblog gestartet. Nämlich diesen hier. Wollte ich eigentlich schon 2009 machen. Aber damals dachte ich: Ach nein, du bist doch keine Literaturkritikerin, wer gibt dir das Recht dazu? Da lachen sich doch alle kaputt. Und später dann, als immer mehr Buchblogs im Internet rumschwirrten, dachte ich: Ach was, gibt eh schon Blogs wie Sand am Meer, wer braucht da noch einen mehr … 

Es gibt wohl immer eine Ausrede, nicht zu tun, worauf man Lust hat. Die schlimmste und häufigste: “Was werden die anderen sagen?” Also lassen wir es lieber und tun schön brav, was die Welt von uns verlangt. Wir nehmen Aufträge an, die zu wenig Geld einbringen und keinen Spaß machen (weil wir nicht Nein sagen können). Wir übernehmen die Arbeit eines Kollegen / einer Kollegin, obwohl wir ohnehin schon überarbeitet sind (weil ein Nein egoistisch wäre). Wir besuchen Verwandte, die uns dann vielleicht auch noch vorschreiben, wie wir zu leben haben – weil wir uns nicht trauen, denen endlich mal (wenn auch höflich) die Meinung zu geigen … 

Wie man sich ein dickes Fell strickt? Masche für Masche, Reihe für Reihe. Neu ist das Rezept nicht, denn es geht natürlich ums Abgrenzen und Nein-sagen-Lernen. Ums Um-Hilfe-bitten-ohne-sich-zu-schämen. Darum, sich nicht permanent für sein Tun oder Nicht-tun zu rechtfertigen. Darum, dass man es aushält, wenn man selbst wieder mal Blödsinn von sich gegeben hat und nicht vor Scham im Boden versinken möchte. Darum: aufrecht durchs Leben zu gehen und sich nicht kleiner zu machen als man ist. Und wenn das Kopfkino wieder anfängt? Wenn wieder mal die Angst vor dem, was alles passieren könnte, die Kontrolle übernimmt? Dann verrät Anke Precht ein paar Tricks, wie frau es schafft, diesen Film zu stoppen. Dafür gibt’s nämlich eigene Akupressur-Punkte. Oder einfach den Trick, STOPP zu sagen, sich umzuschauen, zu sehen, zu spüren, zu hören und sich auf das, was gerade ist, zu konzentrieren. Bei mir wirkt das ganz gut!

Was ich besonders schön an dem Buch finde: Es ist für starke Frauen von heute geschrieben. Für jene, die mit beiden Beinen im Leben stehen und ihren Weg gehen. Frauen, die von anderen vielleicht sogar für ziemlich tough gehalten werden. Die aber selbst merken: Ein bisschen ein dickeres Fell würde mir schon guttun. 

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Titel: Wie strick ich mir ein dickes Fell?
Autorin: Anke Precht
Verlag: Trias 
Publikationsjahr: 2019
ISBN: 978–3‑4321–0989‑3
Seiten: 156
> Verlag / Leseprobe

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