DAS MÄDCHEN MIT DEM DRACHEN

Titel: Das Mädchen mit dem Drachen
Autorin
: Laetitia Colombani

❀ Da ich Colombani noch nicht kannte, habe ich mir dieses Buch von der Onleihe heruntergeladen – und es gleich gemeinsam mit “Der Zopf” auch als Hardcover bestellt 


???? Inhalt:
Das Mädchen mit dem Drachen spielt in Indien, am Golf von Bengalen, wohin die Hauptfigur Léna geflüchtet ist, nachdem sie ihren Partner unter tragischen Umständen verloren hat. Am Strand sieht sie jeden Tag ein Mädchen mit einem Drachen spielen. Als Léna beim Baden beinahe ertrinkt, rettet dieses Mädchen ihr das Leben, indem sie Preeti, die Anführerin einer Selbstverteidigungstruppe, die gerade in der Nähe ist, zu Hilfe holt.
Léna möchte Preeti und Lalita danken und bringt den beiden schließlich das Lesen bei. Denn sowohl das Mädchen Lalita als auch Preeti gehören der Kaste der Unberührbaren an. Die kleine Lalita, deren Eltern gestorben sind, wächst sie bei einem Verwandten auf, der ihr den Taufnamen genommen hat und sie Hope nennt, denn niemand soll erfahren, dass die Kleine keine Christin ist. Lalita muss für ihre Zieheltern in dem familieneigenen Betrieb (einem kleinen, sehr einfachen Restaurant) arbeiten; dass Lalita immer mehr Zeit mit ihrem Schreibheft verbringt, ist dem Onkel ein Dorn im Auge. 

Colombani erzählt vom wahren Indien. Von einem unerbittlichen Kastensystem und einer Welt, in der Frauen zum Freiwild werden. Während Léna für die Chance auf Bildung kämpft, bringt Preeti den jungen Frauen aus dem Viertel Kampftechniken bei, um sich gegen ihre Vergewaltiger wehren zu können. Die beiden Frauen freunden sich an, als Preeti von Léna das Lesen lernt. Womit Léna nicht gerechnet hat: Immer mehr junge Frauen bleiben nach Preetis Selbstverteidigungskursen, um bei den Lektionen zusehen zu können, denn sie alle wollen das Lesen erlernen. 

Schließlich bleibt Léna in Indien. Gemeinsam mit der jungen Preeti eröffnet sie eine Schule – gegen alle bürokratischen Widrigkeiten und auch gegen den Widerstand vieler Eltern, die auf die Arbeitskraft ihrer Kinder angewiesen sind, um nicht zu verhungern.
Dass Bildung auch den Wunsch nach einem besseren Leben nährt, muss Léna erfahren, als es zum tragischen Selbstmord einer Schülerin kommt, nachdem man sie zwangsverheiratet. 

Viel mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten, wenngleich es auch ein zweites, sehr aktuelles Thema gibt, das Colombani in ihrem Roman aufwirft.
(Wer trotzdem neugierig ist, kann ganz unten beim Pfeil ➡️ nachsehen.)

???? Mein Leseeindruck:
Das Mädchen mit dem Drachen ist keine “nett erzählte Geschichte aus Indien”, sondern macht traurig und wütend zugleich. Eingängig geschrieben ist der Roman trotzdem, auch liest er sich flott, ich war nach ein paar Stunden fertig. Es ist eine sehr distanzierte, zusammenfassende Erzählweise, der sich die Autorin bedient hat. Dadurch wirkt der Roman nicht pathetisch, und das ist gut. Dennoch hätte ich mir an mancher Stelle gewünscht, tiefer in eine Szene eintauchen zu dürfen.
Was ich an dem Buch besonders toll fand: Colombani hat mit Léna eine Protagonistin geschaffen, die ihr eigenes Handeln immer wieder hinterfragen muss. Denn ihre Sicht ist nun einmal die einer europäischen Lehrerin. Das Leben in Indien aber folgt gänzlich anderen Regeln. 

➡️ Achtung, hier spoilere ich:
Man weiß lange nicht, was mit Lénas Partner genau geschehen ist, und genau die Frage danach macht auch die Spannung in dem Roman aus. Wenngleich es viele Rezensionen verraten: Der Reiz des Buches geht, meiner Meinung nach verloren, wenn man zu früh weiß, dass es … 

ein Amoklauf eines Schülers war„ bei dem Lenas Lebensgefährte getötet wurde. Verübt von einem Jungen, dessen Biografie nicht darauf schließen ließ. Dennoch fragt sich Léna, ob sie und ihre Kolleg:innen etwas erkennen hätten müssen. 

Zwei sehr starke Themen in einem so schmalen Roman … 

Titel: Das Mädchen mit dem Drachen
Autorin
: Laetitia Colombani
Übersetzung aus dem Französischen: Claudia Marquardt
Verlag: S. Fischer
Erscheinungsjahr: 2022 (Original: 2021)
Seiten: 268
ISBN: 978–3‑10–397-490–4<
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