Zusammenkunft

Titel: Zusammenkunft
Autor: Natasha Brown

Der Roman steht nun schon seit 2 Jahren auf meiner Lese-Wunschliste, und als ich auf der Fahrt von Wien nach Graz nach einem geeigneten Hörbuch suchte, tauchte “Zusammenkunft” wie durch ein Wunder bei Libby auf, und es war perfekt, denn es dauert genauso lang wie die Fahrt. 

Die Erzählung selbst kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen, denn es geht um den “ganz gewöhnlichen” Alltagsrassismus. Aber nicht nur. Es geht um Herkunft, um Geschlechterrollen und um die Frage nach der Verantwortung der ausbeutenden Länder.

Brown erzählt vom “Nach oben kommen” bzw. vom “Oben angekommen sein”. Die Protagonistin hat es geschafft, sie hat studiert, sich hochgearbeitet, ist ganz oben angekommen in der Londoner Finanzwelt. Sie hat einen Freund, der aus einer angesehenen Familie stammt.
Doch eine Einladung zu einem Familienfest bringt alles ins Wanken. Da sind nicht nur die Sätze, die man sich als junge Frau im Job anhören muss (Sie haben es als Schwarze doch leichter, hochzukommen, sie habe doch einen Vorteil, wegen der Quote), nein, auch die Londoner Upperclass, das wird nun klar, sieht in der Freundin ihres Sohnes bloß eine Art exotische Phase.
Wie geht man um mit der Geschichte jener, die vor einem stehen? Hocharbeiten? Sich verausgaben, damit die Eltern nicht umsonst alles aufgegeben haben? Immer den Kopf dagegen halten, immer tausend Mal besser sein als die Weißen, immer kämpfen?

Beim Hörbuch muss man schon ein bisschen Konzentration mitbringen, sonst verliert man schnell den Faden, denn der Text ist sehr dicht gewebt. Es geht um die Erzählerin, aber nicht nur. Es geht um uns alle, um unsere Gesellschaft und unsere Geschichte. Herkunft, Klasse und Geschlecht, das ist es, was (nicht nur) in England heute noch zählt, was immer zählte. Und es tut verdammt weh, wenn man mitbekommt, wie schwer es der Protagonistin gemacht wird, sich als Britin zu fühlen, obwohl sie genau das immer war: Britin. Denn hier wurde sie sozialisiert, hier ging sie zur Schule, zur Uni, hier zahlt sie Steuern. Dennoch ist da immer das Gefühl, sich rechtfertigen, sich beweisen zu müssen. Nie sicher sein zu können, in England bleiben zu dürfen, obwohl sie einen britischen Pass hat.

Einzig am Ende war mir dann doch fast ein bisschen zu viel Moral in den Text gestopft. Das wäre meiner Meinung nach nicht nötig gewesen und hat den Roman gesprengt. 

Dennoch. Zusammenkunft ist ein Buch, das man allen Menschen in die Hand drücken sollte. Vor allem jenen, die meinen, es mache eh keinen Unterschied mehr, welche Hautfarbe man habe, woher die Eltern kämen, welchen Beruf sie hätten oder auch, ob man als Mann oder als Frau zur Welt gekommen sei … Weit gefehlt. Diskriminierung findet satt. Manche in unserer Gesellschaft spüren sie täglich. 365 Tage im Jahr. Und auch, wenn nicht alle Sätze bös gemeint sind, sollten wir alle uns ein bisschen mehr mit dem Thema Diskriminierung, Alltagsrassismus und auch Sexismus auseinandersetzen, um zu erkennen, wo wir andere verletzten. Und nein, der Satz “Sei nicht so empfindlich” ist auch keine Lösung!