Titel: Die Dreitagemordgesellschaft – Agatha Christies Haushälterin ermittelt, Band I
Autorin: Colleen Cambridge
Murder at Mallowan Hall — so lautet der englische Titel, und er klingt für Christie-Fans doch gleich viel gewohnter.
Diesmal ist es jedoch nicht Miss Marple, die ermittelt, auch ist es nicht der kluge Belgier mit dem eleganten Schnurrbart, nein, es ist Agatha Christies Haushälterin.
???? Inhalt:
Die Ausgangslage ist schnell erzählt: In der Bibliothek von Mr und Mrs Mallowan (so hieß Christie nach ihrer erneuten Heirat) liegt eine männliche Leiche, in deren Hals ein Füllfederhalter steckt. Eine Tatsache, die für Phyllida Bright nicht gerade erfreulich ist, denn: „Die Flecken auf dem Teppich zu entfernen würde zwei Stunden Arbeit erfordern, und dann bräuchte er noch Zeit zum Trocknen, bevor man ihn wieder in die Bibliothek legen könnte. Und sie wollte gar nicht daran denken, wie lange es dauern würde, die Blutspritzer von den Büchern und der Tapete zu entfernen.“ Und das, wo gerade so viel zu tun ist für die überaus zahlreiche Dienerschaft, denn die Mallowans haben Gäste im Haus. Da sich die Polizei nicht gerade als hilfreich herausstellt, bittet Phyllida ihre Arbeitgeberin, den Mord aufzuklären. Doch Agatha Christie stellt fest: Ein echter Mord sei doch etwas gänzlich anderes als eine erfundene Kriminalgeschichte. Zumal sie ohnehin genug mit dem Mord auf dem Papier zu tun habe, für den sie sich immer die frühen Stunden freihält, denn ein Kapitel täglich muss sie schaffen, selbst wenn Gäste im Haus sind. Also muss Phyllida – eine glühende Verehrerin des Hercule Poirot (ach, gäbe es ihn doch nur wirklich!) – selbst ermitteln. Bald steht ihr dabei der ungehobelte Chauffeur zur Seite, der seit neuestem in der Garage der Mallowans anzutreffen ist. Doch ganz unverdächtig erscheint Phyllida selbst dieser nicht …
???? Meine Meinung
Colleen Cambridge spielt in ihrem Krimi mit diversen Motiven aus den Original-Krimis. So lässt sie die fiktive Agatha Christie etwa durch den Mord in ihrer Bibliothek auf die Idee kommen, das Thema in einem ihrer nächsten Kriminalromane aufzugreifen.
Auch stilistisch ähnelt der vorliegende Krimi sehr den Originalen. Unaufmerksam überfliegen darf man das viele Geplänkel nicht, da sich in jedem Satz ein Hinweis verstecken könnte. Die Fülle des Personals im Hause Mallowan ließ mich gerade im ersten Drittel so manches Mal zurückblättern (Wer war jetzt nochmals wer?), erst als der Krimi Fahrt aufnahm, bin ich in die Handlung hineingekippt.
Wer Christie (noch immer) in Textform liebt, wird auch dieses Buch lieben, denn es bedient sich desselben Humors, ist ähnlich aufgebaut, sogar die erklärende Rede gibt es am Schluss. Mir persönlich ging es mit “Die Dreitagemordgesellschaft” allerdings ähnlich wie es mir mittlerweile auch mit den Christie-Romanen geht. Ich mag sie am liebsten als Hör-CD, wenn die Hände beschäftigt sind und ich so richtig entspannen will. Ich liebe auch diverse Verfilmungen – Sir Peter Ustinov hätte ich mir sogar als Butler gut vorstellen können! 😉 –, nur beim Lesen merke ich, dass ich trotz der Spannung schnell ungeduldig werde, was wahrscheinlich daran liegt, dass mir die menschlichen Schicksale, die Geschichten hinter dem Motiv fehlen. (Wie etwa im Kansas Komplott, der, obwohl er ein reiner Unterhaltungsroman blieb, sehr in die Tiefe ging.)
Am interessantesten in “Die Dreitagemordgesellschaft” fand ich die Arbeitsbeschreibungen der Dienerschaft. Ob die Mallowans selbst so viel Personal hatten? Wer weiß. Aber in manchen Häusern wird es wohl so gewesen sein. Jetzt weiß ich, dass es z.B. einen eigenen Destillationsraum gab, in dem Waschmittel, Seifen und diverse Öle und Wässerchen mittels Kaltdestillation hergestellt wurden, und dass die meisten Hausangestellten nicht vor Mitternacht ins Bett kamen. Erschütternd eigentlich, vor allem, wenn wir im Buch der zwölfjährigen Opal begegnen, die sich freut, als Spülerin eine Anstellung gefunden zu haben und es kaum fassen kann, dass sie das Recht auf zwei Paar Schuhe hat. Aber auch dieses Schicksal wird – wie so viele – nur in ein paar Nebensätzen erzählt. So bietet der Krimi zwar eine Fülle von Menschen und deren Leidenschaften, letztendlich aber bleibt selbst die Gesellschaftskritik nur an der Oberfläche, denn es geht allein um das “Wer war es?” – und das darf man bei einem Christie-Roman natürlich nicht zu früh erraten.
Die nächste Geschichte dieser Art werde ich dennoch wieder als Hörbuch hören – denn alle paar Jahre überfällt mich eine eigenartige „Christie-Hörbuch-Handarbeits-Phase“. Und dann darf es sehr gern eine Fortsetzung von Colleen Cambridge sein!
Titel: Die Dreitagemordgesellschaft
Autorin: Colleen Cambridge
Übersetzung aus dem Englischen: Angela Koonen
Verlag: Lübbe
Publikationsjahr: 2022
ISBN: 9783785728192