Vor anderthalb Jahren hat mir Peter Paul Wiplinger (*1939) sein (wie er damals glaubte) “letztes” Buch für den Morgenschtean zukommen lassen – den Dialektlyrikband “Blian und Vablian”, in dem sich der Autor u.a. an seine Jugend in Haslach erinnert. Ziemlich gleichzeitig kamen damals die “Einschnitte” heraus, ein Lyrikband mit politischen Gedichten, den ich für die Zeitschrift &Radieschen rezensiert habe. Schon diesem Band hat Wiplinger ein paar aktuelle Gedichte vorangestellt, die er kurz nach Kriegsausbruch verfasst hatte. Mittlerweile sind zwei Jahre vergangen, der Krieg in der Ukraine dauert immer noch an, Ende ist keines in Sicht. Wie auch? Putin ist keiner, der verhandeln will. Ganz abgesehen davon: Was gäbe es zu verhandeln? Soll sich die Ukraine selbst wegverhandeln? Um des lieben Friedens Willen, wie manche sich das so einfach vorstellen? (Wie wenn der “Herr Putin” ein Friedensmensch wäre …)

“herr Putin dieser KGB-geschulte zar
träumt vom weltbeherrschungssieg”

schreibt Wiplinger am 12.4. 2022.

Wiplingers Gedichte sprechen von der Wut und der Ohnmacht, die wir (fast) alle verspüren, wenn wir vor den Fernsehgeräten sitzen. “Feuerzeichen” – das sind keine geschönten Worte. Die Lyrik Wiplingers hat nichts Gekünsteltes, im Gegenteil, manchmal hat man das Gefühl: Genau so, wie es hier steht, hab ich mir das in dem Moment auch gedacht (als Mariupol fiel, als vom Massaker in Butscha berichtet wurde, als …)
Wiplinger hat keine Scheu davor, das Spontane, das Echte festzuhalten. Das ist mutig – zumal manche seiner Gedanken auch verstören (natürlich tun sie das, wir kennen diese Gedanken von uns selbst …) 

angesichts dessen frage ich
wäre es nicht besser und egal
unter welchem politischen regime
man seine kinder seine familie
liebt und diese ihr leben leben
anstatt ewtas zu vereidigen bis
hin zu seiner vernichtung nur weil
Vernunft zugleich Feigheit wäre

[…]

fragen fragen fragen fragen
hinterfragen zu ende fragen
das unzulässige doch denken
alles in frage stellen
bis es eine gültige antwort gibt.

P.P. Wiplinger: “Fragen über Fragen”, Ausschnitt S. 56; Datum: 16.3.2022

Wipingers Gedichte sind politisch. Vor allem aber sind sie persönlich. Der Herr(scher) Putin, der KGB-Agent und selbsternannte Zar, der “welterpesser” , dessen “infantiler kindertraum” es ist, “wieder ein großreich aufzurichten” – ihm gilt Wiplingers Zorn, ihm und all jenen, die nicht aufbegehren. Gleichzeitig sind da im Hause Wiplinger “blumen am fensterbrett / kaffeeduft aus der küche” – so wie immer, wenn irgendwo Bomben fallen und das Leben andernorts einfach weitergeht.

Wiplingers Gedichte mahnen uns, weiter nachzudenken, weiter über den Krieg zu sprechen. Nicht zu vergessen, worum es geht. Nämlich darum, dass mitten in Europa wieder ein Land für seine Freiheit, für demokratische Werte kämpft. 

Vor ein paar Jahren wurde auf Amazon Philip K. Dicks “The Man in the High Castle” verfilmt. In dem 1962 erschienenen Roman, stellt sich der Autor eine Welt vor, in der die Nazis den Krieg gewonnen haben.
Ich stelle mir gerade vor, was passieren würde, wenn .…

Die Ausgabe ist im Übrigen zweisprachig, übersetzt hat Hanna Hnedkowa

(rezensiert für den &Radieschen-Blog)

Peter Paul Wiplinger
Feuerzeichen – Gedichte zum Krieg in der Ukraine

mit einem Vorwort von Helmuth A. Niederle
Löcker Verlag, 2023
115 Seiten, ISBN: 978–3‑99098–185‑6

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