Titel: Die spürst du nicht
Autor: Daniel Glattauer

❀ Ein Ebook, das ich mir für die Fahrt nach Wien und zurück nach Graz vorgenommen hatte.

???? Inhalt:

Zwei befreundete Ehepaare fahren gemeinsam in den Toskana-Urlaub, wo man ein tolles Ferienhaus samt Pool gemietet hat.
Die vierzehnjährige Tochter des einen Ehepaars, Sophie Luise, hat darauf bestanden, ihre neue Schulfreundin Aayana mitzunehmen, die mit ihrer Familie von Somalia nach Österreich geflüchtet ist. Sophie-Luise möchte Aayana das Schwimmen beibringen, vor allem aber stellen sich Sophie-Luise und ihre Mutter vor, dass Aayana, die in Kopftuch trägt, ihre Freiheit in der Toskana so genießen wird. Tatsächlich schlüpft Aayana schon am ersten Abend heimlich in den Bikini. Während alle anderen um den Tisch sitzen und Prosecco trinken (nur Sophie-Luises Mutter schläft am Pool), schleicht sich Aayana unbemerkt zum Pool. Ganz leicht soll das mit dem Schwimmen sein, hat ihr die Schulfreundin zuvor versichert, und ganz leicht fühlt es sich auch an, als Aayana in die Tiefe gezogen wird.
Nach der Heimkehr wird erzählt, Aayana sei heimlich zum Wasser gegangen, niemand hätte es rechtzeitig mitbekommen. Was ja theoretisch auch stimmt. Doch Sophie-Luises Mutter lag nun mal dösend am Pool. Vor allem aber gab es einen Brief von Aayanas Eltern, der die Tragödie verhindern hätte können. Aber Sophie-Luise hat vergessen, den Brief zu übergeben – und nun ist sie Schuld an Aayanas Tod. 

???? Meine Meinung
Was für ein Glück, dass ich im Bus saß, denn ich weiß nicht, ob ich bei dem Text geblieben wäre, hätte sich mein Buchstapel in der Nähe befunden. Der Beginn hat mich nämlich nicht gleich begeistern können, was vor allem an den Figuren lag, die mir so richtig unsympathisch waren – und auch der knappe, fast schon drehbuchartige Stil sprach mich nicht gleich an.
Aber bereits auf halber Fahrt nach Wien war ich dann so gefesselt, dass ich meinen Reader nicht mal von den Augen nehmen konnte, als ich schon längst auf der Rolltreppe stand.

Was den Roman für mich so spannend macht, sind die Fragen, die er aufwirft. Denn bereits vor dem tragischen Unfall bekommen sich Sophie-Luises Eltern, die ohnehin nicht gerade die beste Ehe führen, in die Haare. Während die Mutter stolz darauf ist, dem somalischen Teenagermädchen ein bisschen Freiheit zu verschaffen, ist der Vater der Ansicht, dass es anmaßend sei, sich in das Leben von Menschen aus anderen Kulturen einzumischen und ihnen die westliche Denkweise aufzuzwingen.
Nach dem Unglück wiederum bittet Sophie-Luises Mutter, die als Grünen-Politikerin in der Öffentlichkeit steht, ihre Freundin, niemandem zu erzählen, dass sie am Pool schlief.
Schuldgefühle gepaart mit der Angst vor dem, was passieren könnte, wenn die Wahrheit rauskommt – in diesem Spannungsfeld bewegen sich die Figuren. Immer wieder werden auch Zeitungsartikel und Kommentare von Leser*innen in den Text eingewoben. Denn während die einen immer mehr in die persönliche Katastrophe schlittern, zerfetzt sich das Land das Maul – und ein:e jede:r posaunt die eigene Meinung hinaus. 

Fazit: Glattauers neuer Roman ist spannend, humorvoll, erschütternd und an vielen Stellen sehr berührend. Und er hält unserer Gesellschaft gut den Spiegel vor. Zwar wirkt “Die spürst du nicht” an manchen Stellen konstruiert und auch vorhersehbar – aber mich hat das hier überhaupt nicht gestört. Im Gegenteil. Nachdem ich mit dem Lesen fertig war, gingen mir die aufgeworfenen Fragen noch lange nicht aus dem Kopf. Glattauer schafft es, dass man über die eigene Einstellung nachzudenken beginnt. Und genau das ist es, was Bücher tun sollten. 

Titel: Die spürst du nicht
Autor: Daniel Glattauer
Verlag: Zsonlay
Erscheinungsjahr: 2023
Seiten: 304
ISBN: 978–3‑552–07333‑3

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